Präventionsmedizin
Herzpatientinnen und -patienten wird in Deutschland eine umfangreiche Versorgung – schon fast eine Überversorgung – angeboten. Dennoch zeigen neue Daten im europäischen Vergleich eine geringe Lebenserwartung. Warum ist das so und was können wir dagegen tun? Das beantwortet Prof. Dr. David M. Leistner, Direktor der der Klinik für Kardiologie und Angiologie.
Prof. Leistner, kürzlich hat eine Studie zur Lebenserwartung in Deutschland im Vergleich zu 15 anderen europäischen Ländern, den USA und Japan für Aufruhr gesorgt – worum geht es dabei?
Prof. Dr. David M. Leistner: Die Lebenserwartung in Deutschland liegt weit unter dem, was wir für ein wohlhabendes, westeuropäisches Land erwarten würden – und das schon seit langem. 2019 – vor der Covid-19-Pandemie – war Deutschland beim Vergleich der Lebenserwartung von Männern auf Platz 14 von 15, bei Frauen auf Platz 13. Seit 1990 ist der Abstand zu den weltweiten Spitzenreitern wie Japan oder der Schweiz bei etwa drei bis vier Jahren stehen geblieben. Das ist erstaunlich. Denn: Deutschland hat eine leistungsstarke Wirtschaft, ein gerechtes und fortschrittliches Gesundheitssystem, ein gut ausgebautes Sozialversicherungssystem und investiert viele Ressourcen in das Gesundheitssystem.
Warum ist es Deutschland dennoch nicht gelungen, sich den anderen Ländern anzunähern?
Prof. Dr. David M. Leistner: Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind weiterhin die Haupttodesursache in Deutschland. Wir geben zwar viel Geld für die Versorgung und Interventionen sowie Behandlung aus – trotzdem haben wir eine hohe kardiovaskuläre Sterberate. Ich erkläre mir das so, dass wir unser Geld immer erst dann ausgeben, wenn das Kind sprichwörtlich schon in den Brunnen gefallen ist. Nehmen wir zum Beispiel den Bluthochdruck: Testen die Deutschen ihren Blutdruck genauso oft wie Menschen in den benachbarten Ländern? Wenn sie hohen Blutdruck haben, nehmen sie dann auch Medikamente? Einige Studien behaupten, wir Deutschen gehen zu spät ins Krankenhaus oder zum Arzt – in bereits schlechtem Gesundheitszustand und mit zahlreichen Begleiterkrankungen.
Welche Konsequenzen müssen wir also ziehen?
Prof. Dr. David M. Leistner: Deutschland sollte sich in erster Linie auf zwei Bereiche konzentrieren: die Bekämpfung der sehr hohen Belastung durch vorzeitige Erkrankung und die Sterblichkeit aufgrund von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Um das zu erreichen, müssen wir vor allem die gesundheitspolitischen Maßnahmen und Präventionsbemühungen verstärken und die Effizienz der Primärversorgung insgesamt erhöhen. Wir am Universitätsklinikum Frankfurt wollen unseren Beitrag dazu leisten und haben das Universitäre Präventionszentrum gegründet.