Über Paul Ehrlich
Paul Ehrlich, geboren 1854, war sowohl zukunftsweisender Forscher als auch Mitbegründer der Universitätsmedizin Frankfurt. Hier gelangen ihm – nach seinem Wechsel aus Berlin – seine entscheidenden wissenschaftlichen Durchbrüche, die ihn zum Nobelpreis führten.
Schon während seiner Zeit an der Berliner Charité um 1880 interessierte sich Paul Ehrlich in seiner wissenschaftlichen Arbeit besonders für die Histologie (Gewebslehre), die Hämatologie (Erkrankungen des Blutes) und die Farbchemie. So untersuchte er in seiner Habilitation neue Techniken der Zellfärbung, ohne die Zellstruktur und -funktion zu beeinträchtigen. In seiner Privatpraxis ging er ab 1889 den medizinischen Möglichkeiten dieser sogenannten Vitalfärbung nach. Mit der Färbetechnik werden Unterschiede in den Blutzellarten sichtbar. Zahlreiche Krankheiten des Blutsystems können so diagnostiziert und das Wechselspiel zwischen Infektionen und dem Immunsystem aufgezeigt werden.
Immunisierung gegen Krankheiten
1891 kommt Paul Ehrlich unter der wissenschaftlichen Koryphäe Robert Koch an das Berliner Institut für Infektionskrankheiten. Noch im selben Jahr beginnt er dort Experimente an Mäusen. Er erkennt, dass sich die Tiere nach und nach an die Gifte Ricin und Abrin gewöhnen – sie werden immun gegen deren toxische Wirkung. Die Beobachtungen legen die Grundlage für seine weiteren Arbeiten zur Immunitätsvererbung. Bereits damals war bekannt, dass Eltern eine spezifische Immunität gegen die Pocken oder die Syphilis an ihre Kinder weitergeben konnten. Paul Ehrlich stellt fest, dass diese Vererbung über den Blutkreislauf der Mutter an das ungeborene Kind erfolgt. Das Kind wird so mit Antikörpern versorgt.
Durchbruch des medizinischen Serums
Auf Grundlage seiner Vererbungsexperimente verzeichnet er 1894 Erfolge bei klinischen Versuchen mit einem Diphterieheilserum. Zur sicheren Behandlung durften in Deutschland anschließend nur staatlich geprüfte Seren verkauft werden. Diese Aufgabe übernahm das Institut für Serumforschung und Serumprüfung unter Leitung Paul Ehrlichs in Berlin. 1899 zieht das Institut nach Frankfurt. Dem neuen Königlichen Institut für experimentelle Therapie angegliedert ist eine Abteilung für Krebsforschung. Ehrlich untersucht hier Grundlagen der Onkologie und entdeckt u.a., dass sich Tumorzellen von Generation zu Generation bösartig entwickeln. Wenige Jahre später, im Jahr 1906, eröffnet auf Bestrebungen der Stadt Frankfurt neben dem Institut die private Stiftung Chemotherapeutisches Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus – eigens für Paul Ehrlichs Forschungsbestreben gegründet. Institutsdirektor Ehrlich testet hier seine Annahme, dass auch chemische Arzneimittel gegen bestimmte Krankheiten wirken müssen – ähnlich wie Seren. Seine Arbeiten sind erfolgreich, wie sich wenig später zeigt.
Der Frankfurter Nobelpreis
1908 erhalten Paul Ehrlich und Ilja Merschnikow gemeinsam den Medizinnobelpreis für ihren Beitrag zur Serumforschung. Ihre Erkenntnisse zur umfassenden Bedeutung des Immunsystems für die Abwehr von Bakterien und Viren waren bahnbrechend. Inspiriert von Ehrlichs Arbeiten am Institut für Serumforschung und Serumprüfung stellen sie die sogenannte Seitenkettentheorie auf: An jeder Zellseite befinden sich Seitenketten. Hieran können sich die Krankheitserreger binden wie ein Schlüssel ins Schloss: Gesunde Zellen erkranken. Nur die sogenannten B-Zellen können Antikörper (Abwehrstoffe) gegen die Erreger produzieren – als Reaktion auf die angeketteten Erreger.
Sieg gegen Syphilis
Während seiner Arbeit am Georg-Speyer-Haus entwickelt Ehrlich gemeinsam mit Hata Sahachiro „Ehrlich-Hata 606“, das erste Medikament gegen Syphilis, später bekannt als Salvarsan. „Ehrlich-Hata 606“ beruht auf der Seitenkettentheorie und wird ab 1910 das erste bekannte chemotherapeutische Arzneimittel. Noch heute verlaufen Chemotherapien nach dem – von den beiden Wissenschaftlern entdeckten – ursprünglichen Prinzip. Der Krankheitserreger wird gezielt durch das chemische Mittel getötet. Das Arsen im Salvarsan greift den krankmachenden Syphiliserreger an und schont zugleich den restlichen Organismus.
1914 wird Paul Ehrlich Professor und Ordinarius für Pharmakologie und experimentelle Therapie an der neugegründeten Frankfurt Universität. Er nimmt an der Gründungssitzung teil und verstirbt 1915.
Schon Paul Ehrlich hat es bewiesen: Krebszellen entstehen aus gesunden Zellen. Sie entwickeln Mechanismen, sodass sie nicht vom Immunsystem angegriffen werden können. Man kann sagen, sie sind immunisiert. So wie Ehrlich es in seinen Arbeiten umgekehrt für gesunde Zellen gegen Krankheitserreger erreichen wollte.
Das eigene Immunsystem gegen Krebszellen
Mit den Projekten CAR Factory (CAR: Chimäre Antigenrezeptoren) und CARISMa an der Universitätsmedizin Frankfurt folgen die Expertinnen und Experten ihrem Wegbereiter. Sie erforschen eine neuartige Immuntherapie, bei der Tumorzellen für das Immunsystem angreifbar werden. Im Forschungsnetzwerk – gefördert durch die Deutsche Krebshilfe und das Land Hessen – entwickeln sie die sogenannte CAR-T-Zell-Therapie weiter. Die Spezialistinnen und Spezialisten verändern hierbei bestimmte Zellen des Immunsystems gentechnisch so, dass sie Oberflächenmarker der Tumoren erkennen. Diese CAR-T-Zellen können selbst gut getarnte Tumorzellen gezielt angreifen und zerstören.
Onkologische Expertinnen und Experten setzen dieses Therapieprinzip bereits heute bei Patientinnen und Patienten mit bestimmten Blut- und Lymphdrüsenkrebsformen ein. An Universitäten und Forschungszentren weltweit forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an weiteren vielversprechenden Anwendungsbereichen – so auch an der Universitätsmedizin Frankfurt – und führen die Grundlagenforschungen von Paul Ehrlich weiter.
Aktuelle Forschung aus dem UCT
Die klinische Studie CAR2BRAIN ist eine innovative Phase-1-Studie mit CAR-modifizierten Natürlichen Killerzellen (NK-Zellen) zur Behandlung von Patientinnen und Patienten mit fortgeschrittenem Glioblastom, einem bösartigen Hirntumor. Die Patientinnen und Patienten erhalten nach der Rezidiv-OP bis zu zwölf Injektionen mit genmodifizierten NK-Zellen über ein Kathetersystem in den Seitenventrikel. Dadurch sollen die nach der Operation zurückbleibenden Tumorzellen aufgespürt und die Aufmerksamkeit des patienteneigenen Immunsystems auf diese gelenkt werden. Das neuartige Zelltherapeutikum wurde am Standort Frankfurt in einer langjährigen Kooperation mit dem Georg-Speyer-Haus und dem Institut für Transfusionsmedizin und Immunhämatologie entwickelt.