Geschichte der Frankfurter Universitätsmedizin

1914 wurde die Universität Frankfurt am Main als Stiftung des jüdisch geprägten Bürgertums einer zur modernen Industrie-, Handels- und Bankenzentrale aufgeblühten Großstadt begründet. Die medizinische Fakultät profitierte in ihren Anfängen von der Eingliederung bedeutender, bereits bestehender Stiftungseinrichtungen und konnte so rasch hervorragende Wissenschaftler und Ärzte verschiedener Fachdisziplinen in Therapie, Forschung und Lehre vereinen.

Die Stiftung von Johann Christian Senckenberg aus dem Jahre 1763 mit einem Bürgerhospital, einer Bibliothek, einer naturwissenschaftlichen Sammlung, einem botanischen Garten, einer Anatomie und einem chemischen Labor hatte bereits im 18. Jahrhundert eine herausragende Stellung als Stätte für Forschung, Lehre und Volksbildung. Bis zum heutigen Tage tragen verschiedene Institute des medizinischen Fachbereiches den Namen des Stifters, darunter die „Dr. Senckenbergische Anatomie“, die noch zu Senckenbergs Lebzeiten entstand.

Weitere Stiftungen an der Medizinischen Fakultät sind mit den Namen von drei Bankiersfamilien verbunden: Theodor Stern, Georg und Franziska Speyer und die Stiftung Carolinum der Familie Rothschild, aus der das heutige universitäre Zentrum der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde entstand.

Außerdem gab es vor Gründung der Universität bereits das Neurologische Institut als private Stiftung von Ludwig Edinger, die Orthopädische Klinik „Friedrichsheim“ als Stiftung des „Vereins für Krüppelfürsorge“ – die heutige Orthopädische Universitätsklinik – und die „Braunfels’sche Annie-Stiftung“ als Keimzelle der Universitätskinderklinik.

Wichtig für die Entstehungsgeschichte der Fakultät ist auch das seit 1884 errichtete Städtische Krankenhaus Sachsenhausen, das zum Klinikum der neugegründeten Universität ausgebaut wurde. Die Chefärzte der einzelnen Kliniken wirkten als Professoren der neuen Fakultät, unter ihnen der Chirurg Ludwig Rehn – er führte 1896 weltweit den ersten herzchirurgischen Eingriff durch – und der weltbekannte jüdische Dermatologe Karl Herxheimer, der 1942 im Alter von 81 Jahren im KZ Theresienstadt ums Leben gebracht wurde.

Auch die von Heinrich Hoffmann, dem "Struwwelpeter"-Autor, 1859 bis 1864 errichtete „Anstalt für Irre und Epileptische“ kam als Klinik für Gemüts- und Nervenkranke zur Universität. Hoffmanns Nachfolger Emil Sioli wurde erster Professor für Psychiatrie und Neurologie.

Die enge Verzahnung mit universitätsunabhängigen Instituten und Forschungsstätten war und ist für die Fakultät von großer Bedeutung, so die Kooperation mit dem „Königlichen Institut für experimentelle Therapie“, an dem seit 1899 Paul Ehrlich arbeitete; der 1908 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde. 1909 entdeckte Paul Ehrlich das Chemotherapeutikum Salvarsan, das er zusammen mit Karl Herxheimer an der Hautklinik erfolgreich zur Behandlung Syphiliskranker einsetzen konnte. Seit 1906 leitete Paul Ehrlich außerdem das von Franziska Speyer, der Witwe des Bankiers Georg Speyer, finanzierte „Institut zur Erforschung von Infektionskrankheiten“, das heutige Georg-Speyer-Haus.

Die Frankfurter Universität ist und war bekannt für ihre Liberalität und Offenheit gegenüber neuen Entwicklungen, die Medizinische Fakultät bildet heute wie damals keine Ausnahme.
Ein Beispiel dafür ist das 1922 eingerichtete „Institut für physikalische Grundlagen der Medizin“, dessen erster Direktor der vielseitige Physiker, Politiker, Unternehmer, Publizist und Naturphilosoph Friedrich Dessauer war. Nachfolge-Institute sind das heutige Max-Planck-Institut für Biophysik und das Institut für Biophysik.

Wilhelm Hanauer, niedergelassener Arzt, Stadtverordneter und aktives Mitglied der jüdischen Gemeinde, vertrat das hochmoderne Fach „Soziale Medizin“. Richard Koch, erster Medizinhistoriker an der Frankfurter Universität, erhielt 1922 einen erweiterten Lehrauftrag für „Geschichte und die philosophischen Grundlagen der Medizin“ und verstand es, als Internist praktische Medizin, Medizingeschichte und Medizintheorie zu verbinden. Die Bereitschaft und der Mut zur Erprobung neuer organisatorischer Strukturen erreichten so in der Weimarer Republik ihren ersten Höhepunkt.

Weitere herausragende Fachvertreter der Medizinischen Fakultät der zwanziger, dreißiger und vierziger Jahre waren der Biochemiker Gustav Embden, der Internist Franz Volhard und der Neurologe und Psychiater Karl Kleist. Zahlreiche jüdische, politisch liberale und linksstehende Wissenschaftler verloren aufgrund des nationalsozialistischen „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ 1933/34 ihre Position. Viele emigrierten, einige kehrten 1945 auf ihre Lehrstühle zurück, so der Dermatologe Oscar Gans.

Doch selbst die Jahre der nationalsozialistischen Diktatur konnten den offenen, liberalen Geist, der für die Stadt Frankfurt und ihre Universität typisch ist, nur an seiner Entfaltung hindern, ihn aber nicht auslöschen. Die Universität, ihr medizinischer Fachbereich und das Klinikum haben stets neue Wege gesucht und werden es weiter tun.

Seit 01.01.2001 wird das Universitätsklinikum in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts geführt. Dies gibt dem Vorstand des Universitätsklinikums mehr unternehmerischen Handlungsspielraum. Von einem Aufsichtsrat wird er hierbei beraten und überwacht. Die Universität und mit ihr die Medizinische Fakultät haben sich ihrer Wurzeln besonnen und sind seit 2008 wieder das, was sie bei ihrer Gründung waren: eine Stiftungsuniversität, die - zusammen mit ihren Stiftern und Hand in Hand mit dem Universitätsklinikum - in weitgehender Autonomie sich auf den Weg in die Zukunft macht.