Schwerpunkt der im andrologischen Labor durchgeführten Labordiagnostik ist die Untersuchung der Fertilität von Männern und Transfrauen mit unerfülltem Kinderwunsch und zur Kryokonservierung. Zur Beurteilung der Fähigkeit der Patienten zur Fortpflanzung werden dabei zunächst anhand der Untersuchung des Ejakulates die Parameter des Basis-Spermiogramms erhoben. Ergeben sich hierbei Hinweise auf das Vorliegen von Störungen der Spermienproduktion (Spermatogenese) kann die Diagnostik durch weitere Spermiogrammparameter und ggf. die Durchführung von Spermatozoen-Funktionstests erweitert werden. Bei bestimmten Konstellationen im Spermiogramm, vor allem bei einer deutlich verminderten Anzahl an Samenzellen im Ejakulat, ist ggf. darüber hinaus eine endokrinologische Diagnostik erforderlich.

Die vom Labor angebotenen Leistungen lassen sich daher in 3 Kategorien zusammenfassen:

Basis-Spermiogramm

Bei einer ersten Beurteilung einer Samenprobe werden zunächst nachfolgend aufgelistet physikalische, biochemische, immunologische und zelluläre Ejakulatparameter untersucht:

Physikalische Ejakulat-Parameter

Ejakulatvolumen  

pH-Wert des Ejakulates  

Verflüssigungszeit und Konsistenz des Ejakulates

Zelluläre Ejakulat-Parameter

Spermatozoenkonzentration und -zahl
Die Zahl an Spermatozoen im Ejakulat, welche sich aus ihrer Konzentration und dem Ejakulatvolumen ergibt, gibt Hinweise auf die exkretorische Funktionsfähigkeit der Hoden.
Aufgrund der ausgeprägten individuellen Variation der Spermatozoenzahl von Untersuchung zu Untersuchung sollten vor der Diagnosestellung einer beeinträchtigten Spermatogenese stets mehrere (mindestens 3) Ejakulate des Patienten mit zeitlichen Abstand untersucht werden. Ferner müssen Verschlüsse der ableitenden Samenwege, Gewinnungsfehler, retrograde Ejakulation und ähnliches ausgeschlossen werden.

Spermatozoenvitalität
Für die Beurteilung der Fertilität des Patienten ist der Anteil lebender (vitaler) Samenzellen im Ejakulat äußerst relevant, da nur vitale Süermien eine Eizelle befruchten können. Der Anteil toter Zellen kann bis zu 20% betragen ohne dass es Einschränkungen der Fertilität gibt.

Spermatozoenmotilität
Bei der Beurteilung der Beweglichkeit der Samenzellen wird die prozentuale Verteilung der Samenzellen mit schnell vorwärtsgerichteter (progressiv) , langsam progressiver, nicht- progressiv und fehlender Bewegung erfasst (WHO-Klassen a-d). Bei fertilen Probanden sind mindestens 50% der Samenzellen progressiv beweglich (Klasse a und b)

Spermatozoenmorphologie
Das Aussehen und die Form der Spermien (Spermatozoenmorphologie) ist ein wichtiger Prognoseparameter hinsichtlich der Befruchtungsfähigkeit der Samenzellen sowohl bei assistierten Reproduktionsverfahren (IVF, ICSI) als auch bei natürlicher Zeugung. Pathologisch geformte Samenzellen sind dabei mit verminderten Befruchtungsraten assoziiert, führen aber nicht zu Missbildungen beim Kind.
Die Beurteilung der Samenzellmorphologie gestaltet sich aufgrund der Vielfalt möglicher morphologischer Varianten schwierig. Dies führte in der Vergangenheit dazu, dass andrologische Labore vielfach "eigene" Beurteilungskriterien und Kategorien der Samenzellmorphologie entwickelt haben, was eine Vergleichbarkeit der Befunde aus verschiedenen Laboren nahezu unmöglich machte. Durch externe Qualitätssicherungsprogramme andrologischer Gesellschaften wurde inzwischen deutschlandweit eine weitgehende Angleichung erzielt.

Spermatozoen-Agglutinationen
Spermatozoen-Agglutinationen, d.h. das feste Aneinanderhaften von Samenzellen, deuten auf die Anwesenheit von Antikörpern auf den Samenzellen als Reaktion des Immunsystems auf Spermien hin, welche diese miteinander verkleben und die Befruchtung erschweren. Jedoch können Samenzell-Agglutinationen  auch als nicht immunologisch-bedingte Phänomene wie z.B. Veränderungen der Zähflüssigkeit (Viskosität) des auftreten. Der Nachweis der Anti-Samenzell-Antikörper erfolgt daher mittels eines MAR-Tests (siehe immunologische Ejakulatparameter). 

Beurteilung der Flagellenmembran bei Motilitätsstörungen
Die optimale Funktion des Spermienschwanzes (Flagelle) ist für eine gute Beweglichkeit der Samenzelle äußerst wichtig. Daher werden die Samenzellflagellen mit einer besonderen Shorr-Färbung sichtbargemacht und beurteilt. Eine pathologische Anfärbbarkeit der Flagelle kann auf eine Nebenhodenstörung hindeuten, welche Ursache der mangelnden Beweglichkeit  (Asthenozoospermie) sein kann.

Rundzellzahl
Neben den Spermatozoen befinden sich im menschlichen Ejakulat noch eine Vielzahl anderer Zellen, darunter vor allem Zellen der Spermiogenesereihe (Spermienreifung). So finden sich häufig Spermatiden in unterschiedlichen Reifestadien. Darüberhinaus können abgeschilferte Epithelzellen von den Wänden der Hodenkanäle, Fresszellen (phagozytierende Makrophagen) oder auch weiße Blutzellen (Leukozyten) vorkommen. All diese Zellen werden, sofern sie mindestens die Größe eines Spermatozoenkopfes haben, kollektiv als Rundzellen bezeichnet. Ferner finden sich gelegentlich auch Erythrozyten im Ejakulat, welche aber aufgrund ihrer geringen Zellgröße nicht zu den Rundzellen gezählt werden.
Die Zahl an Rundzellen im Ejakulat kann in weiten Grenzen schwanken. Handelt es sich dabei überwiegend um Leukozyten, so liegt der Verdacht auf eine Entzündung nahe. Finden sich dagegen in erster Linie Spermiogenesezellen, so weist dies auf eine Störung der Samenzellreifung (Spermatogenese) hin.
  
Granulozytenzahl
Leukozyten, darunter in erster Linie die neutrophilen Granulozyten, sind in nahezu jedem menschlichen Ejakulat in mehr oder minder großer Zahl nachweisbar. Bei exzessivem Vorhandensein solcher Zellen, d.h. bei so genannter Leukozyto- oder Pyospermie, muss eine Entzündung im Bereich der akzessorischen Geschlechtsdrüsen in Betracht gezogen werden. Unabhängig von der Zahl der Rundzellen wird daher stets auch die Zahl der peroxidase-positiven Granulozyten im Ejakulat bestimmt. 
Man bedenke aber: ein negativer Leukozytennachweis schließt das Vorliegen einer Entzündung in Hoden oder Nebenhoden nicht aus! Ebenso ist eine Nachweis von Granulozyten nicht gleichbedeutend mit einer Infektion, da diese Zellen auch natürlicherweise vorrübergehend im Ejakulat vorkommen können. Der Nachweis von Leukozyten (Leukozytospermie ) sollte daher stets eine intensive mikrobiologische Untersuchung des Ejakulates sowie ggf. des separat gewonnenen Prostatasekretes nach sich ziehen.
 
Pathologische Keime
Zur Differenzierung, ob ein Nachweis pathogener Keime im Ejakulat eher auf eine Kontamination des Samens während der Passage der mit Mikroorganismen besiedelten Harnröhre oder aber auf eine Infektion im Bereich des Genitale oder der akzessorischen Geschlechtsdrüsen hinweist, muss auch der vor der Masturbation gewonnene Mittelstrahlurin auf die Anwesenheit pathogener Keime untersucht werden. Die Aufklärung des Patienten über die vorher durchzuführende gründliche Reinigung des äußeren Genitale und der Hände ist hier von besonderer Bedeutung!

Die Untersuchungsergebnisse des Basisspermiogramms entscheiden über die Notwendigkeit einer erweiterten Spermiogrammdiagnostik bzw. der Notwendigkeit endokrinologischer Untersuchungen.

Biochemische und immunologische Ejakulat-Parameter

Fruktosegehalt des Seminalplasmas 
Die im Seminalplasma, dem flüssigen Bestandteil des Ejakulates nachweisbare Fruktose entstammt den Bläschendrüsen und ist daher als Marker der Sekretionsleistung der Bläschendrüsen anzusehen. Da die Sekretionsleistung der Bläschendrüsen ihrerseits jedoch unter einem direkten regulatorischen Einfluss des Testosteronspiegels steht, gilt die Fruktose indirekt auch als Marker des Testosteronspiegels.
Der Gehalt an Fruktose im Seminalplasma ist mit durchschnittlich 20-25 μmol/l wesentlich höher als in jeder anderen Körperflüssigkeit. Ihre Konzentration nimmt aber nach Ejakulation im Laufe der Zeit infolge einer Fruktolyse durch die Samenzellen rasch ab. Eine Bestimmung des Fruktosegehalts muss daher standardisiert stets zum selben Zeitpunkt nach Gewinnung des zu untersuchenden Ejakulates durchgeführt werden.


Zinkgehalt des Seminalplasmas
Der Zinkgehalt dagegen ist ein verlässlicher Indikator der Sekretionsleistung der Prostata.

Spermatozoenantikörper
Die Anwesenheit von Spermatozoenantikörpern im Ejakulat wird vielfach als typisches und spezifisches Zeichen einer immunologisch bedingten Fertilitäseinschränkung angesehen. Vor allem sind hier die verklebend wirkenden Antikörper des IgA-Isotyps von Bedeutung, da die verklebten  Samenzellen das Sekret des Gebärmutterhalses nicht durchdringen können.  
Der Nachweis von Spermatozoenantikörpern mit Hilfe einfacher Testverfahren, wie z.B. dem MAR-Test, ist sehr störanfällig und liefert nicht selten falsch positive Resultate. Testergebnisse, welche einen Verdacht auf eine immunologische Ursache einer Fertilitätsstörung nahelegen, sollten daher zunächst zur Bestätigung des Befundes wiederholt werden, bevor ihre Relevanz in einem Postkoital-Test überprüft werden sollte.
Bei einem positiven Antikörpernachweis entscheidet ihre Menge, gemessen am Anteil der von einer Agglutination betroffenen Samenzellen, über die Schwere der Einschränkung der Fortpflanzungschance. 

Erweiterte Spermiogramm-Analytik

Bestimmung der α-Glukosidase-Aktivität im Seminalplasma
Die neutrale Form der α-Glukosidase im menschlichen Seminalplasma ist ausschließlich epididymaler Herkunft (Nebenhoden). Die Bestimmung ihrer Aktivität kann daher zur Differenzierung möglicher Ursachen einer Azoospermie herangezogen werden. Eine deutlich verminderte Aktivität dieses Enzyms im Seminalplasma bei gleichzeitig vorliegender Azoospermie deutet auf eine bilaterale Obstruktion der ableitenden Samenwege im Bereich des Nebenhodenschwanzes oder des Ductus deferens hin. 

Bestimmung der Funktion bestimmter Calciumkanäle von Spermien.
Die Funktion bestimmter Calciumkanäle auf den Spermien ist bedeutsam für die letzte Aktivierung der Spermien, damit diese in die Eizelle eindringen können. Ist diese gestört, kann das Spermium nicht selbst die Eihülle durchdringen und es muss eine aufwändige assistiertes Reproduktionsverfahren gewählt werden bei der das Spermium in die Eizelle eingeführt wird (ICSI). Andere Verfahren sind dann nicht möglich.  

Spezielle Färbeverfahren

Beurteilung der Chromatinkondensation der Samenzellen
Im Verlauf von Spermtogenese und Samenzellreifung werden im Zellkern der heranreifenden Spermatozoen die Lysin-reichen, sauren "somatic type"-Histone durch spermatozoenspezifische Nukleoproteine, die so genannten Protamine, ersetzt. Letztere sind gekennzeichnet durch einen hohen Anteil basischer Aminosäuren. Ob dieser Prozess der Umstrukturierung des Kernchromatins im Verlauf der Spermtozoenreifung erfolgreich abgeschlossen wurde, kann anhand einer speziellen Färbung mit saurem Anilinblau beurteilt werden.

Die Untersuchungsergebnisse des erweiterten Spermiogramms sind in Zusammenhang mit den Befunden des Basisspermiogramms zu interpretieren und können ggf. durch endokrinologische Untersuchungen ergänzt werden. 

Endokrinologische Untersuchungen

Bildung und Ausreifung der männlichen Samenzellen sind Prozesse, die eng durch Hormone gesteuert werden. Eine endrokrinologisch-andrologische Basisdiagnostik sowie endokrinologische Funktionstests können genutzt werden, um Ursachen und damit mögliche Therapieansätze einer gestörten Samenzellreifung herauszufinden.

Andrologisch-endokrinologische Basisdiagnostik

Testosteron-, LH- (luteinisierendes Hormon) und FSH- (Follikel-stimulierendes Hormon) Serumspiegel
Die Bestimmungen der Serumspiegel des männlichen Sexualhormons Testosteron und der Gonadotropine FSH (Follikel-stimulierendes Hormon) und LH (luteinisierendes Hormon) geben Auskunft über die Stimulierung der an der Samenzellproduktion beteiligten Strukturen. Dabei entscheidet die Gesamtkonstellation der endokrinologischen Parameter über die Bedeutung etwaiger Abweichungen von der Norm.

Andrologisch-endokrinologische Funktionstests

Der hCG-Test
Der hCG-Test überprüft die Funktionsreserven der Leydigzellen, welche im männlichen Körper eine wichtige Rolle als Testosteronproduzenten wahrnehmen. Liegt keine Funktionsstörung der Leydigzellen vor, kann man eine biphasische Reaktion des Testosteron-Serumspiegels auf eine einmalige Gabe von hCG beobachten.
 
Der LH-RH-Test
Änderungen der Gonadotropin-Serumspiegel (LH, FSH) nach intravenöser LH-RH-Injektion ermöglichen eine Beurteilung der Ansprechbarkeit und Funktionslage der Hypophyse des Patienten. Indirekt kann dabei auch die Hodenfunktion beurteilt werden.
Bei normaler Funktion des Hypothalamus-Hypophysen-Testosteron-Regelkreises stellen sich in den endokrin aktiven Zellen der Adenohypophyse physiologisch "normale" Konzentrationen an Gonadotropinen und deren Vorstufen ein (= Speicherkapazität der endokrin aktiven Hypophyse). Einen einmalige exogene Zufuhr des Steuerhormons LH-RH führt zu einer unmittelbaren Umwandlung der vorliegenden Gonadotropinvorstufen in den endokrin aktiven Zellen der Adenohypophyse zu den hormonell aktiven Gonadotropin-Peptiden und zu deren unmittelbarer Freisetzung (= Entleerung der Speicher). Als Folge kommt es zu einer vorübergehenden, rasch ansteigenden, langsam abklingenden Steigerung der LH- und FSH-Spiegel im Serum mit einem Maximum nach ca. 30 Minuten (= normale Reaktion im LH-RH-Test).
Fällt das stimulierende Signal des Hypothalamus jedoch über längere Zeit weg oder ist es längerfristig deutlich vermindert (wie z.B. bei einem tertiären Hypogonadismus, bei dem die Hypophyse nicht ausreichend stimuliert wird), stellt die Adenohypophyse ihre endokrine Aktivität ein. Die ggf. nur noch in geringem Maße gebildeten Gonadotropine werden direkt in die Peripherie abgegeben (= keine Speicherkapazität der endokrin inaktiven Hypophyse). In diesem Fall wird durch die einmalige Gabe von LH-RH eine langsam anlaufende de-novo-Synthese der Gonadotropine induziert, die sich einem Nachweis im normalen LH-RH-Test entzieht. Zur Differenzierung hypothalamisch-hypophysärer Schäden ist daher zur Überbrückung der Phase der Gonadotropin-Neusynthese eine vorausgehende Stimulation der Hypophyse durch eine länger andauernde pulsatile Behandlung mit Releasinghormon erforderlich (sog. Langzeit-Variante des LH-RH-Tests).

Die endokrinologischen Untersuchungsergebnisse sind in Zusammenhang mit den Befunden des Basisspermiogramms und des erweiterten Spermiogramms zu beurteilen. 
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Darüber hinausgehende, ausführlichere Informationen, wie Normalwerte, die Bedeutung pathologisch relevanter Abweichungen von der Norm sowie eine Beschreibung der Testdurchführungen inklusive Hinweisen zu Qualitäts-Kontrollen finden Sie bei Ochsendorf/Beschmann: Männliche Infertilität. Springer Verlag 1997.

Anmerkung zur Variabilität von Spermiogrammbefunden:

Die Spermiogrammparameter der Basisanalytik, wie z.B. Samenzellzahl und Samenzellkonzentration oder auch die Samenzellmotilität, unterliegen starken natürlichen Schwankungen. Eine zuverlässige Diagnostik setzt daher die Untersuchungen von mindestens zwei, bei sehr stark unterschiedlichen Befunden sogar von drei oder mehr, Ejakulatproben voraus.