Die Therapie von Laethisia Schimek
Ein Schlüsselbeinbruch, fixiert mit einem Draht, hätte der Inlinespeedskate-Weltmeisterin Laethisia Schimek fast das Leben gekostet. Dass sie überlebt hat und wieder sportliche Höchstleistungen erbringen kann, ist das Verdienst von Herzchirurg Prof. Dr. Tomas Holubec und seinem Team.
Laethisia Schimek strahlt mit der Goldmedaille in ihrer Hand um die Wette. Das Edelmetall hat die Inlinespeedskaterin vor zwei Jahren bei den World Games gewonnen. Die World Games sind das Pendant zu den Olympischen Spielen für die nicht-olympischen Sportarten. „Mit dieser Medaille habe ich meine Kollektion vervollständigt. Ich habe jetzt alles gewonnen, was man im Inlinespeedskaten gewinnen kann“, sagt die 31-Jährige stolz. Undenkbar, dass die Sportlerin nun die Füße hochlegt. Sie hat schon längst weitere ehrgeizige Ziele. Doch dass sie die Möglichkeit dazu hat, ist alles andere als selbstverständlich. Dass Laethisia Schimek überlebt hat und heute ihre Sportart wieder so erfolgreich ausüben kann, verdankt sie der hohen Expertise eines interdisziplinären Ärzteteams um den Herzchirurgen Prof. Dr. Tomas Holubec an der Universitätsmedizin Frankfurt. Was war passiert?
Bei einem Sturz mit dem Mountainbike zieht sich Laethisia Schimek 2018 einen Schlüsselbeinbruch zu. Eigentlich keine große Sache – in einer Klinik in Heidelberg wird der Bruch mit zwei sogenannten Kirschner-Drähten versorgt. „Dann ist das passiert, was nur selten vorkommt, was aber in der Literatur durchaus beschrieben ist: Kirschner-Drähte können sich lösen und im Körper wandern. So war es auch bei Frau Schimek“, erklärt-Prof. Dr. Tomas Holubec, stellvertretender Direktor der Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie an der Universitätsmedizin Frankfurt und Laethisia Schimeks behandelnder Arzt. „Ein Draht verletzte die Lunge und perforierte schließlich die Aorta, also die Hauptschlagader. Das Blut, das dadurch in den Herzbeutel gelaufen ist, hat eine sogenannte Tamponade ausgelöst. Dabei wird das Herz geschnürt und kann nicht mehr richtig schlagen.“
Laethisia Schimek kollabiert und hat an diesem Punkt extreme Todesangst und eine Nahtoderfahrung. „Wenn ich es nicht selbst erlebt hatte, würde ich es wahrscheinlich nicht glauben“, sagt Laethisia Schimek. „Ich lag im Krankenhaus auf einer Liege und wusste: Ich muss kämpfen, es geht um alles oder nichts. Aber dann gab es einen Moment, in dem ich es nicht mehr geschafft habe. Ich habe mich plötzlich von oben selbst auf der Trage gesehen und die Menschen beobachtet, die um mich herum um mein Leben gekämpft haben.“ Wie lange das Erlebnis gedauert hat, weiß Laethisia Schimek nicht. Aber sie weiß noch, dass sie in dieser Situation großes Bedauern empfunden hat. „Weil ich das Gefühl hatte, dass ich meine Aufgaben auf der Erde noch nicht erfüllt hatte“, beschreibt sie den Nahtodmoment. Kreislaufunterstützende Medikamente und Intubation, also künstliche Beatmung, holen die Patientin ins Leben zurück. Sie wird mit dem Hubschrauber zu den Spezialistinnen und Spezialisten der Herz- und Gefäßchirurgie an der Universitätsmedizin Frankfurt geflogen, die sofort operative Notfallmaßnahmen einleiten.
„Zuerst haben wir das Brustbein aufgespaltet und die Herzbeuteltamponade entlastet“, beschreibt Herzchirurg Prof. Dr. Holubec das Vorgehen im OP. „Anschließend konnten wir uns daran machen, nach dem Kirschner-Draht zu suchen, denn er war im einsehbaren OP-Bereich zunächst nicht zu erkennen. Wir haben dann festgestellt, dass der Draht durch die Lunge gewandert war und die Aorta verletzt hatte. Wir konnten den Kirschner-Draht ohne Einsatz einer Herz-Lungen-Maschine entfernen und die verletzten Stellen an der Lunge und der Aorta übernähen.“ Laethisia Schimek realisiert erst einige Tage später, was passiert ist. „Als ich aufgewacht bin, habe ich die vielen Pflaster und Zugänge an meinem Körper gesehen und gewusst, dass es verdammt knapp war“, sagt sie rückblickend. „Aber Prof. Dr. Holubec hat mir die Lage sehr sachlich, mit großer Ruhe und Zuversicht erklärt und mir seine Überzeugung vermittelt, dass ich ins normale Leben zurückkehren und meinen Leistungssport wieder ausüben kann.“
Der Chirurg behält recht. Acht Monate nach dem lebensbedrohlichen Ereignis wird Laethisia Schimek Dritte über die 500m-Distanz bei den Europameisterschaften und 2022 sogar World Games Champion über dieselbe Strecke. Durch den Notfall hat sie eine neue Beziehung zum Leben und zum Sport gewonnen, verrät sie. „Ich bin dankbarer geworden und versuche, das daraus resultierende Glück in den Alltag einzubauen. Auf sportlicher Seite habe ich eine viel größere Lockerheit gewonnen. Natürlich freue ich mich immer noch über Medaillen, aber sie sind nur noch das 1-Tüpfelchen auf meinem Glück, das ich durch das dramatische Ereignis gefunden habe.“ Schon als sie nach der OP das erste Mal wieder stehen kann, weiß Laethisia Schimek, dass sie ihre sportliche Karriere fortsetzen will. „Ich habe Ziele, die ich noch erreichen möchte. Ziele, nach denen mein Herz einfach schreit“, gesteht sie. „Sie waren für mich in dieser schwierigen Zeit eine große Stütze und Motivation, überhaupt wieder aufzustehen.“
Deshalb hat sie ihr Leben noch einmal umgekrempelt. Sie pendelt jetzt zwischen Groß-Gerau, wo ihre Inline-Trainingsbahn liegt, und Berlin, wo sie sich parallel eine Karriere als Eisschnellläuferin aufbaut. Ihr Ziel sind die Olympischen Winterspiele 2026. Eine Teilnahme böte die Chance, ihre Medaillenkollektion doch noch einmal zu erweitern. Und dann verrät sie noch, warum ihre Goldmedaille von den World Games 2022 so glänzt. „Die Medaille war ursprünglich matt, aber dann habe ich sie ein bisschen zu sehr poliert, und nun ist sie glänzend.“ Damit passt sie bestens zum strahlenden Lächeln von Laethisia Schimek.