Die Therapie von Hans-Otto E.
Vier Brüder aus Hessen und ihre Familien hatten 2022 trotz aller Krisen Grund zum Feiern. Dank universitärer Hochleistungsmedizin und dem Engagement von Ärzten, die sich für Früherkennungsuntersuchungen bei Männern stark machen, konnten die vier an Prostatakrebs erkrankten Brüder als geheilt entlassen werden. Ein Plädoyer für mehr Männergesundheit.
Traurig, aber wahr: Statistisch gesehen sterben Männer immer noch fast fünf Jahre früher als Frauen. Zu den lebensverringernden Faktoren bei Männern zählen eine ungesunde Lebensweise, ein höheres Risiko, an unnatürlichen Todesursachen wie Verkehrsunfällen und Tötungsdelikten zu sterben, die biologische Veranlagung und mangelnde Krankheitsprävention.

Nur jeder zehnte Mann schützt sich mit einer Krebsvorsorge – urologische Früherkennungsuntersuchungen nehmen nur etwa 18 Prozent der Männer regelmäßig wahr. „Die mangelnde Früherkennungsbereitschaft hat dazu geführt, dass sich das Prostatakarzinom nach den Lungenerkrankungen zur zweithäufigsten Krebstodesursache von Männern in Deutschland entwickelt hat“, erklärt Prof. Felix Chun, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Frankfurt. „Dabei sind Früherkennung und eine kurative Therapie die einzige Möglichkeit, die Sterblichkeit bei Prostatakarzinomen zu senken.“ Die Gesellschaft für Urologie empfiehlt die Untersuchung allen Männern ab 45, bei familiärer Vorbelastung schon ab 40 Jahren.
Das beste Beispiel dafür, wie wirkungsvoll und lebensrettend Früherkennung sein kann, ist die außergewöhnliche Geschichte von vier Brüdern, die im Herbst 2022 am Universitätsklinikum Frankfurt ein glückliches Ende gefunden hat. Alle vier waren an Prostatakrebs erkrankt, alle wurden erfolgreich operiert – zwei am Universitätsklinikum Frankfurt und zwei an anderen Kliniken. Im Vorfeld hatten die Brüder kompetente Unterstützung durch Dr. Magnus Volk, einen niedergelassenen Urologen und Verwandten. „Dank der fürsorglichen Überwachung durch unseren Urologen und Cousin Magnus haben wir ein großes Problem, das viele Männer haben, jetzt nicht mehr. Wir müssen uns diesbezüglich keine Sorgen mehr machen“, sagt Hans-Otto E., einer der betroffenen Brüder. „Natürlich ist Prostatakrebs keine Diagnose, die man gerne hört, aber wenn man weiß, dass durch eine frühzeitige Diagnose die Heilungschancen besonders hoch sind, sollte man diese Chance unbedingt nutzen.“

Erste Untersuchungen auf Prostatakrebs waren bei den Brüdern zunächst unauffällig. „Bei zwei Brüdern war der PSA-Wert im Normbereich, bei den beiden anderen war er nur marginal erhöht“, erklärt Dr. Volk. Nach der Tastuntersuchung, der Basis einer Prostata-Früherkennungsuntersuchung, ist die Bestimmung des sogenannten Prostata-spezifischen Antigens (PSA) das nächste wichtige Indiz für eine Krebserkrankung. PSA ist ein Eiweiß, das nur im Prostatagewebe vorkommt und in geringen Mengen im Blut nachweisbar ist. Der PSA-Wert wird in Nanogramm pro Milliliter Blut ermittelt. „Bei jedem Mann gelangen ständig kleine Mengen PSA ins Blut. Ein erhöhter Wert kann auf Prostatakrebs hindeuten, muss aber nicht“, erklärt Dr. Volk. „Auch gutartige Erkrankungen können mit einem erhöhten PSA-Wert einhergehen, daher gehört die Abnahme und Interpretation des PSA-Werts in fachärztlich-urologische Hände.“
Die Brüder blieben wachsam, insbesondere weil ihr Vater bereits vor 25 Jahren an Prostatakrebs gestorben war und mit hoher Wahrscheinlichkeit eine familiäre genetische Veranlagung angenommen werden konnte. „Das Risiko einer Prostatakrebserkrankung ist häufig genetisch bedingt“, erklärt Prof. Felix Chun. „Ist beispielsweise der Vater betroffen, steigt das Risiko einer Erkrankung bereits um 32,5 Prozent. Bei einem Bruder mit Prostatakrebs liegt die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung bei fast 87 Prozent.“
Eine Gewebeprobe bei den Brüdern brachte schließlich Klarheit: Bei allen vier wurde ein frühes Stadium eines Prostatakrebses festgestellt. Bei der Biopsie und während der Operation leistet die Pathologie einen entscheidenden Beitrag zur Therapieplanung und zum Heilungserfolg. Sie kann im entnommenen Gewebe selbst kleinste Krebszellverbände nachweisen und die Bösartigkeit eines Prostatatumors bestimmen. Bei zwei der Brüder wurde erst durch eine Schnellschnittdiagnostik während der Operation festgestellt, dass der Krebs aggressiver war als die Biopsieergebnisse vermuten ließen.

Am Universitätsklinikum Frankfurt kam bei den Brüdern eine minimal-invasive, Roboter-assistierte Operation zum Einsatz. „Das Universitätsklinikum Frankfurt ist diesbezüglich ein Ort, der Geschichte geschrieben hat“, weiß Prof. Chun. „Die erste Prostataentfernung robotischer Art wurde hier im Jahr 2000 durchgeführt. Mittlerweile ist sie das Gold-Standard-OP-System für Prostatachirurgie. Bei den Brüdern konnten wir mit hochmoderner Roboterchirurgie reüssieren. Beim Da-Vinci-Operationssystem sitzt der Chirurg an einer Konsole und schaut mit Hilfe eines Stativs in den Körper des Patienten hinein. Auf diese Weise konnten wir das betroffene Organ mit allen Krebszellen aus dem Körper entfernen und dabei gleichzeitig die Lebensqualität der Patienten erhalten“, erläutert Prof. Chun.
Den Nutzen der Früherkennung können die Brüder nicht oft genug betonen. Viele Männer scheuen die Untersuchung aus Angst, eventuell einen positiven Befund zu erhalten. „Dabei ist die Diagnose eines Krebses im Frühstadium keine schlimme Sache“, betont Hans-Otto. „Gerade bei Prostatakrebs stehen die Chancen auf Heilung gut. Die Früherkennung ist ein Garant dafür, dass man im Anschluss an die Therapie sein normales Leben wieder aufnehmen kann. Dieses Geschenk sollte sich kein Mann entgehen lassen. Wir sind froh und erleichtert, dass wir als geheilt gelten, ebenso freuen sich unsere Frauen und Kinder. Nach meiner Entlassung aus dem Krankenhaus wurde mir von den Ärzten empfohlen, mit meiner Frau eine Flasche Champagner aufzumachen. Das habe ich mit Freuden getan“, so Hans-Otto. „Aus meiner Sicht kann ich nur sagen: Wer eine Früherkennungsuntersuchung nicht wahrnimmt, handelt verantwortungslos. Ich appelliere an alle Männer, diese Gesundheitsangebote zu nutzen.“
Aus diesem Grund ist Hans-Otto E. Teil der „Movember“-Aktion. Das Wort setzt sich zusammen aus „moustache“, französisch/englisch für Schnauzbart, und November, dem Monat, der auf die Männergesundheit und entsprechende Vorsorge aufmerksam machen will. Männer, die an der Aktion teilnehmen, lassen sich ab 1. November einen Bart wachsen. Sie können sich zudem auf der entsprechenden Website registrieren und Spenden zugunsten der Erforschung und Prävention von Prostatakrebs sammeln (de.movember.com). Die Idee stammt von zwei Australiern, die 2003 den ersten Movember angeregt haben, und damit den Grundstein für die weltgrößte Crowdfunding-Organisation für Männergesundheit gelegt haben. In Deutschland wird die Aktion offiziell seit 2012 durchgeführt.
Die Klinik für Urologie und das Universitäre Centrum für Tumorerkrankungen (UCT) am Universitätsklinikum Frankfurt hatten sich am Aktionsmonat 2022 mit diversen Aktionen beteiligt. Unter anderem fand am 22. November ein Bürger-Onlinevortrag mit Expertinnen und Experten aus Urologie, Psychoonkologie und Psychiatrie statt. Neben Informations- gibt es für die Mitarbeiter des Universitätsklinikums konkrete Früherkennungsangebote: Im Movember konnten alle Männer eine kostenlose Prostatakrebsuntersuchung durchführen lassen. Alle Aktionen des Movembers verfolgen ein Ziel: Männer sollen Lebenszeit aufholen und den Abstand zu den Frauen verkürzen.
„Der lebensrettende PSA-Test wird bislang nicht von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen, dabei kostet er nur rund 24 Euro“, erklärt der Urologe Dr. Volk. „Zum Vergleich: Frauen werden bei deutlich höheren Kosten regelmäßig zur Brustkrebsfrüherkennung mittels eines Mammographie-Screenings eingeladen. Bei der Männergesundheit besteht also viel Nachholbedarf.“