Die Therapie von Thomas W.
Schaurige Kostüme und Süßigkeiten an Halloween, Leuchtraketen und Bleigießen zu Silvester – für die meisten Menschen sind das vertraute Assoziationen. Für Thomas W. jedoch stehen diese beiden Tage für etwas anderes: die Hoffnung auf ein neues Leben.


Der 64-Jährige litt an einer polyzystischen Leber- und Nierenerkrankung, die so weit fortgeschritten war, dass Medikamente das Wachstum der Zysten nicht mehr aufhalten konnten. „Bei dieser Erkrankung verdrängen Zysten das gesunde Gewebe“, erklärt der Gastroenterologe PD Dr. Alexander Queck, Leiter der Lebertransplantationsambulanz an der Universitätsmedizin Frankfurt. „Im Endstadium der Erkrankung verlieren die Patientinnen und Patienten an Muskulatur, leiden unter Bauchschmerzen und können sich nicht mehr richtig ernähren. Zudem kommt es zu einer Drucksteigerung in den Lebergefäßen, was zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen kann.“ Thomas W. weiß genau, was das bedeutet: „Wasser in den Beinen, Atemprobleme, ein stark vergrößerter Bauchumfang – selbst das Schuhebinden wurde zum Kraftakt.“
Ein radikaler Schnitt
Vor gut zwei Jahren spitzte sich sein Zustand dramatisch zu. Der selbstständige Heizungsmonteur musste eine Entscheidung treffen: Die Firma aufgeben und sich voll und ganz seiner Gesundheit widmen – nach 30 Jahren Selbstständigkeit ein harter Einschnitt. „Von heute auf morgen aus dem gewohnten Leben auszusteigen, war ein krasser Schritt“, sagt der Aschaffenburger. Aber es blieb ihm keine Wahl. Sein behandelnder Arzt, PD Dr. Queck, riet ihm, sich auf die Warteliste für eine Lebertransplantation setzen zu lassen.

Hoffnung und Rückschläge
Dann, am Halloweentag 2024, kam der erlösende Anruf aus der Universitätsmedizin Frankfurt: Ein passendes Organ war gefunden! Doch die Erleichterung wich schnell der Enttäuschung. Kurz vor der Operation ergab eine erneute Untersuchung, dass die Spenderleber nicht infrage kam. Thomas W. musste unverrichteter Dinge nach Hause zurückkehren.
„Ob und wann eine Patientin oder ein Patient ein Organ erhält, hängt von mehreren Faktoren ab“, erklärt Prof. Dr. Armin Wiegering, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Transplantation und Thoraxchirurgie. „Zum einen von der Spendenbereitschaft. In Deutschland haben wir nach wie vor einen Mangel an Spenderorganen. Zum anderen entscheidet der sogenannte MELD-Score, der den Schweregrad der Erkrankung bewertet und die Dringlichkeit der Transplantation bestimmt. Schließlich spielt auch die Qualität des Spenderorgans eine entscheidende Rolle.“
Höhere Qualität dank Perfusion
Da die meisten Spenderlebern von älteren Menschen oder von ehemaligen Langzeitintensivpatientinnen und -patienten stammen, ist die Organqualität oft beeinträchtigt. Die Universitätsmedizin Frankfurt forciert deshalb die Anwendung moderner Perfusionstechnik. „Statt die Organe nur in einer Kühlbox zu lagern, werden sie an eine Perfusionsmaschine angeschlossen, die sie konstant durchblutet“, erläutert PD Dr. Tamás Benkö, Leiter Transplantationschirurgie. „Unter permanenter Kontrolle von Druck und Temperatur bleibt das Gewebe vital. Das Organ wird nicht nur konserviert, sondern qualitativ aufbereitet. Wir erhöhen dadurch die Erfolgsrate der Transplantationen und können im besten Fall mehr Patientinnen und Patienten mit Organen versorgen.“

Ein Wendepunkt an Silvester
Thomas W. profitierte von diesen Maßnahmen. Nach der Enttäuschung an Halloween dauerte es nur acht Wochen, bis erneut das Telefon klingelte – diesmal an einem ganz besonderen Tag: Silvester. „Meine Familie war sich sicher: Heute kommt garantiert kein Anruf mehr. Doch gegen 21 Uhr meldete sich die Universitätsmedizin Frankfurt. Es war wieder ein Organ für mich da! Innerhalb weniger Minuten waren wir auf dem Weg“, erinnert sich Thomas W. Während draußen das Feuerwerk den Jahreswechsel einläutete, bereitete sich Thomas W. auf den wohl wichtigsten Neuanfang seines Lebens vor. Die Operation verlief reibungslos, seine neue Leber arbeitet optimal, und Schmerzen sind ebenfalls kein Thema. „Wenn es so bleibt, dann war die Transplantation wirklich wie ein Sechser im Lotto“, sagt er erleichtert.

Transplantationszentrum mit Tradition
Thomas W. hatte sich bewusst für die Universitätsmedizin Frankfurt entschieden. Das Transplantationszentrum hat in der Mainmetropole eine lange Tradition. Vor fast 40 Jahren wurde hier eine der ersten Lebertransplantationen in Deutschland durchgeführt.
„Wir entwickeln unsere spezialisierten universitären Kompetenzen, auch angesichts einer sich wandelnden Krankenhauslandschaft, kontinuierlich weiter“, betont Prof. Dr. Wiegering, der die Klinik seit Oktober 2024 leitet. „Es ist uns gelungen, im vergangenen Jahr eine Reihe renommierter Expertinnen und Experten für die Universitätsmedizin Frankfurt zu gewinnen, die sowohl die Transplantationschirurgie als auch komplexe Tumoroperationen auf höchstem Niveau durchführen. Unsere Patientinnen und Patienten profitieren von modernsten Verfahren und innovativen Behandlungsmöglichkeiten.“
So auch Thomas W., Patient der 800. Lebertransplantation an der Universitätsmedizin Frankfurt. Er kann sein Glück kaum fassen. „Mein Leben ist jetzt ein völlig neues“, sagt er und lacht. Die Silvesternacht wird für ihn immer mit dem Glücksgefühl verbunden bleiben, dass er sein altes Leben zurückbekommen hat.