Die Therapie von Michael H.

Die Diagnose Leukämie (Blutkrebs) zu erhalten, ist ein Schock. Doch wenn sie mehrere tausend Kilometer fern der Heimat und Familie gestellt wird, trifft sie umso härter.

Die Diagnose hallt nach
2022 lehrt der Hochschulprofessor Michael H. für einige Monate an einer Partnerhochschule in Südafrika. Er hält sich mit Joggen fit, doch beim Laufen wird er zunehmend kurzatmig und fühlt sich schlapp. Der Arzt, den er in Südafrika aufsucht, macht eine Bemerkung, die sich tief in sein Gedächtnis gräbt: „Michael, for a white person you look far too white.” Eine Blutuntersuchung bringt Gewissheit: Der 54-Jährige hat akute lymphatische Leukämie (ALL). Diese aggressive Form der Leukämie tritt häufiger bei Kindern auf – bei Erwachsenen sind die Prognosen oft deutlich schlechter. Per Videocall teilt Michael H. die niederschmetternde Diagnose seiner Lebenspartnerin und seinen beiden erwachsenen Töchtern mit. „Wir saßen zu viert vor unseren Rechnern und haben erst einmal zusammen geweint”, erinnert er sich.

Auf der Suche nach der richtigen Therapie
Eine Freundin aus dem medizinischen Bereich rät ihm, so schnell wie möglich nach Deutschland zurückzufliegen, solange sein Gesundheitszustand es noch zulässt. Kaum gelandet, geht alles ganz schnell. „Um sechs Uhr morgens bin ich in Frankfurt angekommen, um acht Uhr war ich bei meinem Hausarzt und am nächsten Tag in der Universitätsmedizin Frankfurt", berichtet Michael H. Dort werden sofort lebensrettende Maßnahmen eingeleitet.

Doch die klassische Chemotherapie zeigt nicht die erhoffte Wirkung. „Bei Michael H. kam deshalb als Akutbehandlung eine Immuntherapie zum Einsatz", erklärt Dr. Fabian Lang, stellvertretender Leiter der Einheit für Stammzelltransplantation und zelluläre Therapien an der Universitätsmedizin Frankfurt. „Diese Therapie unterstützt das Immunsystem dabei, Krebszellen gezielt zu bekämpfen." Die Behandlung schlägt so gut an, dass das Ärzteteam eine allogene Stammzelltransplantation (SCT) empfiehlt, um einen nachhaltigen Heilungserfolg zu sichern.

Interdisziplinäre Expertise gefragt
Solche komplexen, personalisierten Therapiekombinationen sind nur in wenigen hochspezialisierten Zentren wie an der Universitätsmedizin Frankfurt möglich. „Um einen Behandlungserfolg wie bei Michael H. zu erzielen, müssen viele Therapien ineinandergreifen“, erklärt Dr. Lang. „Dutzende Expertinnen und Experten sind beteiligt: Onkologen, Radiologen, Kardiologen, Spezialistinnen für Chemotherapie, Bluttransfusion und Strahlentherapie. Hinzu kommen die Kolleginnen und Kollegen, die in entsprechenden Datenbanken nach der passenden Spenderin oder dem passenden Spender forschen und anschließend die Stammzelltransplantation koordinieren. Nicht zu vergessen die Ärztinnen und Ärzte in der ambulanten Nachsorge. Die Komplexität dieser Therapieform wird häufig unterschätzt.“

Ein passender Spender – und eine neue Chance
Die Stammzelltransplantation gilt als die Königsdisziplin im Therapiemarathon. Dabei wird das blutbildende System des Patienten durch das eines gesunden Spenders ersetzt. Das sich neu bildende Blut- und Immunsystem ist in der Lage, verbliebene Leukämiezellen langfristig zu bekämpfen. „Anfangs ist man überrascht, wie unspektakulär die eigentliche Transplantation aussieht“, sagt Michael H. „Es ist nur ein schlichter Beutel.“ Doch dieser unscheinbare Beutel enthält Millionen von Stammzellen und damit den Start in ein neues Leben. „Offiziell gilt man erst nach fünf Jahren als geheilt“, weiß Michael H., „aber ich fühle mich gut. Und Dr. Lang hat mir erklärt, dass ich es frühzeitig merken würde, falls die Krankheit zurückkehren sollte.“ Seinem anonymen Spender, einem jungen Mann, ist Michael H. unendlich dankbar und würde ihm das gerne persönlich sagen. In Kürze kann er die Anonymität aufheben lassen. Wenn auch der Spender ein Treffen wünscht, könnte Michael H. seinen Retter demnächst kennenlernen.

Ein sportliches Comeback
Einen anderen Herzenswunsch hat sich Michael H. bereits erfüllt. Während der belastenden Therapie war an Sport kaum zu denken. Doch nach der erfolgreichen Stammzelltransplantation eroberte er sich Schritt für Schritt das Laufen zurück – erst mit Nordic Walking, dann mit kurzen Joggingeinheiten. Im Herbst 2024 hat er in seiner Heimat einen Halbmarathon absolviert, ein persönlicher Sieg nach einem intensiven Kampf. Michael H. ist überzeugt: „Besser konnte der Heilungsprozess nicht laufen.“ Der Schock der Diagnose in Südafrika und die Phase der langwierigen Genesung ist inzwischen ganz weit weg.

Unterstützung für Betroffene
Nicht alle Patientinnen und Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie haben das Glück, den Kampf gegen die Krankheit zu gewinnen. Die Universitätsmedizin Frankfurt hält ein vielfältiges Beratungsangebot bereit, um Krebspatientinnen und -patienten sowie deren Angehörige dabei zu unterstützen, mit der veränderten Lebenssituation umzugehen: Einen Überblick vermittelt die Website des Universitären Centrums für Tumorerkrankungen (UCT) Frankfurt.

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