Die Therapie von Iris S.

Glück, Zufall oder Schicksal – wie immer man es nennen mag – haben offensichtlich bei der Geschichte der Herzpatientin Iris S. eine Rolle gespielt. Letztendlich sorgten allerdings hervorragende ärztliche Expertise und medizinische Technik am Herzzentrum des Universitätsklinikum Frankfurt für das glückliche Ende einer langen Leidenszeit.

Iris S. hatte ein Abonnement eines bekannten deutschen Nachrichtenmagazins als Geschenk erhalten. Darin fand sie eines Tages eine Beilage über Herzrhythmusstörungen, inklusive eines Berichts über einen Arzt am Universitätsklinikum Essen, der mit einer neuartigen Therapie vorgestellt wurde. Das beschriebene Verfahren könnte ihre Herzprobleme beheben, hoffte Iris S. „Aber da ich im Großraum Frankfurt lebe und keinen Gesundheitstourismus betreibe, kam eine Behandlung in Essen für mich nicht infrage“, sagt die 63-Jährige. Stattdessen telefonierte sie herum, um zu erfahren, ob eine Klinik in der Umgebung diese Methode anbietet. Ohne Erfolg. Am Universitätsklinikum Frankfurt (UKF) erhielt sie jedoch den Hinweis, dass ebenjener Arzt bald vor Ort einen Vortrag über Herzrhythmusstörungen halten werde. Iris S. meldete sich sofort an. „Nach dem Vortrag habe ich das Gespräch mit dem Professor gesucht und erfahren, dass er in zwei Monaten an das Universitätsklinikum Frankfurt wechseln wird. Ein absoluter Glücksfall für mich“, erzählt Iris S., die selbst in einem Gesundheitsberuf, als medizinisch-technische Assistentin, arbeitet.

Prof. Dr. Reza Wakili und Iris S. (v. l.)

Prof. Dr. Reza Wakili und Iris S. (v. l.)

Der Professor heißt Prof. Dr. Reza Wakili und ist Spezialist für interventionelle invasive Elektrophysiologie. Die Elektrophysiologie beschäftigt sich mit der elektrischen Aktivität des Herzens und mit der Behandlung von Herzrhythmusstörungen. „Man kann das Herz grundsätzlich in drei Komponenten aufteilen, welche für die Funktion hauptrelevant sind: der Herzmuskel als solcher, die Gefäße und die ,Herzelektrik‘ “, erklärt Prof. Dr. Wakili. „Jeder gesunde Mensch hat einen Herzmuskel, der als mechanische Pumpe fungiert, Gefäße, die den Herzmuskel mit Energie und Sauerstoff versorgen, und eine Impuls- und Frequenzsteuerung, welche mittels des elektrischen Leitungssystem gewährleistet wird. Die gesamte Herzmuskulatur ist durchzogen mit elektrischen Fasern und hat zwei Knotenpunkte, der Impulsgeber des Herzens ist der Sinusknoten. Er gibt vor, wie schnell das Herz schlagen soll – beim Sport schneller, im Schlaf langsamer. Das Verständnis von elektrischer Aktivität und die Analyse von elektrischen Aktivitätsmustern in Bezug auf Herzrhythmusstörungen, die sogenannte kardiale Elektrophysiologie, sind mein fachlicher Schwerpunkt.“ Bereits während seiner Habilitation an der Ludwig-Maximilians-Universität München hatte Prof. Dr. Wakili eine Arbeitsgruppe zu diesem Thema gegründet. 2017 wurde er auf eine W2-Professur für Elektrophysiologie am Universitätsklinikum Essen berufen.

Anfang 2023 übernahm er die stellvertretende Leitung der Medizinischen Klinik 3: Kardiologie, Angiologie und die Leitung der Rhythmologie am Universitätsklinikum Frankfurt. Die Therapie, die Iris S. buchstäblich elektrisiert hatte, wurde von Prof. Dr. Wakili maßgeblich in der Entwicklung begleitet und als erster Arzt in Deutschland auch klinisch angewendet. Der Herzspezialist forscht schon länger zu den Einsatzmöglichkeiten des sogenannten Elektrofischkatheters. Die Funktionsweise des Katheters haben sich die Forschenden von einem Phänomen in der Natur abgeguckt: Der afrikanische Elefantenrüsselfisch manövriert mithilfe eines elektrischen Feldes, mit dem er Widerstände, elektrische Eigenschaften von Gegenständen und Entfernungen wahrnimmt – ähnlich einer Einparkhilfe im Auto, erklärt Prof. Dr. Wakili. „Wir machen uns das Navigationsprinzip dieses Fisches zunutze und eruieren mithilfe eines vom Elektrofischkatheter ausgesendeten elektrischen Feldes, wo sich erkrankte Herzmuskelzellen befinden, wie tief wir bei der Ablation ins Gewebe eindringen müssen, und wie nachhaltig der Effekt auf die Zellen ist.“

In vielen Fällen kann der Katheter zu einer schnellen und sicheren Ablation, also Verödung, von Herzrhythmusstörungen beitragen. Allerdings eignet er sich nicht zur Behandlung aller Rhythmusstörungen, weil in bestimmten Fällen großflächig verödet wird. „Aber wenn es um eine präzise, millimetergenaue Ablation unter maximaler Kontrolle von Sicherheit und Effizienz geht, ist der Elektrofischkatheter sicherlich einer der besten“, urteilt Prof. Dr. Wakili. „Wir haben am Universitätsklinikum Frankfurt seit meinem Amtsantritt Anfang 2023 mehr als 200 Herzkatheterprozeduren durchgeführt und ca. die Hälfte davon mit diesem Katheter.“

"Ich spürte förmlich, dass mein Herz ein Pulverfass war, das jederzeit explodieren könnte", erzählt Iris S.

"Ich spürte förmlich, dass mein Herz ein Pulverfass war, das jederzeit explodieren könnte", erzählt Iris S.

Zweimal war die Patientin Iris S. darunter. Sie hat eine lebenslange Leidensgeschichte mit komplexen Herzerkrankungen und -therapien hinter sich. Mit elf Jahren litt sie an rheumatischem Fieber, das einen Mitralklappenfehler zur Folge hatte. Eine Anuloplastie, die Implantierung eines Halterings, der die Dichtigkeit der Klappe wiederherstellen soll, verlief 2018 nicht komplikationslos. Zwei Jahre später wurde festgestellt, dass die Mitralklappe erneut undicht war. „Beim Treppensteigen habe ich kaum noch Luft bekommen“, erzählt die Patientin. „Insgesamt war ich körperlich und seelisch immer weniger belastbar. Ich spürte förmlich, dass mein Herz ein Pulverfass war, das jederzeit explodieren könnte.“ 2020 wurde eine erneute OP unumgänglich, wieder spürte sie Nebenwirkungen. Mehrere Kardioversionen – Stromstöße, mit denen das Herz in den Takt gebracht wird – folgten, ohne nachhaltige Wirkung. Im Herbst 2022 fand das Treffen mit Prof. Dr. Wakili statt, auf das Iris S. große Hoffnungen setzte.

Im Rahmen einer ersten Untersuchung kam im Herzzentrum des Universitätsklinikum Frankfurt moderne 3D-Mapping-Technologie zum Einsatz. „Ein Mapping-Katheter sieht ein bisschen so aus wie ein Schneebesen“, erklärt Prof. Dr. Wakili. „Auf jedem seiner acht Arme sitzen feine Elektroden. Damit erstellen wir ein hochauflösendes dreidimensionales Modell des Herzens, inklusive seiner elektrischen Aktivität. Dort, wo der Herzmuskel bereits zerstört ist, erkennen wir kranke elektrische Aktivität.“ Bei Iris S. stellte sich heraus: Ihr Herz war bereits so vorgeschädigt, dass eine unmittelbare Ablation einen Herzstillstand zur Folge gehabt hätte. Deshalb wurde entschieden, zunächst eine prophylaktische Schrittmacherimplantation und erst im zweiten Schritt eine Ablation vorzunehmen. Hierbei kam der Elektrofischkatheter zum Einsatz. „Wenn wir die kranken Stellen identifiziert haben, die die pathologischen Herzrhythmen entwickeln, werden sie verödet, damit sie den falschen Rhythmus nicht erneut entstehen lassen“, erklärt Prof. Dr. Wakili. Der Arzt tastet sich mit dem Katheter vorsichtig an die Stellen heran. Erst bei der zweiten Anwendung war die Ablation bei Iris S. tief und nachhaltig genug, um sie von der Herzrhythmusstörung zu befreien.

Ein halbes Jahr später lebt Iris S. zwar mit Nebenwirkungen vorangegangener Therapien, aber die Rhythmusstörungen sind dank des Schrittmachers und der Ablationen im Herzzentrum des UKF erst einmal vorbei. Treppensteigen ist wieder ohne Atemprobleme möglich. „Ich bin sehr froh über die Zufälle, die mich zum UKF geführt haben“, sagt Iris S. „Ohne das Geschenkabonnement hätte ich das Magazin nicht gelesen. Dann hält ausgerechnet der darin beschriebene Professor am Universitätsklinikum Frankfurt einen Vortrag. Kurz darauf fängt er auch noch in der Klinik für Kardiologie am UKF an. Das sind gleich drei Winke des Schicksals, die ich glücklicherweise nicht ignoriert habe.“

Auf die schicksalhaften Umstände, die Iris S. zu Prof. Dr. Wakili geführt haben, folgte ein individualisiertes Therapiekonzept, wie es nur spezialisierte Zentren wie das Herzzentrum am UKF anbieten können. „Unsere Vision ist es, auf lange Sicht eines der modernsten Herzzentrum in Europa und ein international renommiertes Zentrum für schwierige Fälle von Herzrhythmusstörungen wie die von Iris S. aufzubauen“, resümiert Prof. Dr. Wakili. „Modernste Mapping- und Ablationssysteme ermöglichen es uns schon heute, diese komplexen Fälle individualisiert zu behandeln. Und wir haben am Universitätsklinikum Frankfurt die Möglichkeit, über die invasive Behandlung hinaus zu agieren: Am Zentrum für plötzlichen Herztod und familiäre Arrhythmiesyndrome hier am UKF werden die Risiken von Herzerkrankungen erforscht. Maximalversorgung mit maximaler Expertise, eingebettet in einen wissenschaftlichen Kontext – darin sehen wir unsere Aufgabe und die der Universitätsmedizin.“

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